Wenn dein Kind plötzlich nur noch mit Papa spielen will

– und Mama sich abgeschoben fühlt

Einleitung

Es passiert oft leise.
Dein Kind lacht, spielt, sucht Nähe – aber nicht bei dir.
Stattdessen: „Papa!“
Zum Spielen, Toben, Blödeln.

Du wirst gebraucht für Essen, Schlafen, Trösten. Für das Funktionale.
Und obwohl du weißt, dass dein Kind dich liebt, fühlt es sich plötzlich so an, als wärst du nicht mehr die erste Wahl.

Viele Mamas erleben diese Phase – und fast genauso viele fühlen sich dafür schuldig.
Dieser Artikel soll genau hier ansetzen: erklären, einordnen, entlasten.


Erstmal das Wichtigste: Du hast nichts falsch gemacht

Wenn ein Kind sich phasenweise stärker an einen Elternteil bindet, ist das kein Beziehungsurteil.
Es ist kein Zeichen dafür, dass du zu wenig da warst, zu wenig gespielt hast oder „etwas verloren gegangen ist“.

Bindung ist kein Wettbewerb.
Und Nähe verteilt sich im Familienleben nicht immer gleichmäßig.


Warum Kinder solche Phasen haben

Kinder wählen ihre Bezugspersonen nicht nach Fairness aus, sondern nach inneren Bedürfnissen.
Typische Gründe, warum ein Kind sich zeitweise stärker am Papa orientiert:

  • der Papa wirkt gerade emotional leichter oder spielerischer
  • weniger Alltagsorganisation, weniger Grenzen
  • mehr körperliches Spiel, Toben, Action
  • Mama ist stark mit Versorgung, Struktur und Verantwortung verknüpft
  • Entwicklungsphasen (z. B. Autonomie, Abgrenzung, Übergänge)

Für ein Kind kann es sich dann einfach regulierender anfühlen, mit Papa zu spielen – ohne dass Mama weniger wichtig ist.


Warum sich das für Mamas oft besonders schmerzhaft anfühlt

Viele Mütter tragen nicht nur den Großteil der Care-Arbeit, sondern auch der emotionalen Verantwortung.
Wenn dann genau diese emotionale Nähe scheinbar woanders stattfindet, trifft das einen wunden Punkt.

Häufige innere Gedanken:

  • „Ich werde nur gebraucht, wenn etwas ist.“
  • „Ich bin nicht mehr interessant.“
  • „Habe ich mein Kind weggeschoben?“
  • „Bin ich zu streng, zu müde, zu wenig verspielt?“

Diese Gedanken sind verständlich – aber sie erzählen nicht die ganze Wahrheit.


Versorgung ≠ weniger Bindung

Was oft übersehen wird:
Kinder suchen in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Bindungsqualitäten.

  • Spielen = Exploration, Leichtigkeit
  • Trösten, Schlafen, Essen = Sicherheit, Regulation

Wenn dein Kind in schwierigen Momenten zu dir kommt, zeigt das tiefe Bindung, nicht weniger.

Das Nervensystem deines Kindes weiß sehr genau, wo es sich sicher fühlt.


Was du jetzt NICHT tun musst

  • dich verbiegen, um „interessanter“ zu sein
  • zwanghaft mehr spielen
  • dich zurückziehen
  • deine Gefühle unterdrücken
  • so tun, als wäre es egal

Du darfst traurig sein.
Du darfst dich ausgeschlossen fühlen.
Diese Gefühle machen dich nicht schwach, sondern ehrlich.


Was stattdessen helfen kann

1. Gefühle anerkennen – ohne sie am Kind auszulassen

Du darfst traurig sein, ohne dein Kind dafür verantwortlich zu machen.

2. Kleine, unverplante Momente zulassen

Nicht „jetzt spielen wir“, sondern:

  • gemeinsam etwas anschauen
  • nebeneinander sitzen
  • kurz zusammen lachen

Nähe entsteht oft nebenbei, nicht geplant.

3. Deine Rolle neu würdigen

Du bist nicht die „Versorgerin statt Spielpartnerin“.
Du bist der sichere Hafen.

4. Phasen als Phasen sehen

Was heute gilt, kann sich in ein paar Wochen wieder verändern.


Ein leiser Gedanke zum Schluss

Vielleicht fühlt sich diese Phase gerade wie ein Verlust an.
Aber Bindung ist kein Ort, den man verlassen kann – sie ist etwas, das bleibt, auch wenn der Fokus sich verschiebt.

Du bist nicht weniger wichtig.
Du bist anders wichtig.

Und oft genau dort, wo es wirklich zählt.


Wissenschaftliche Einordnung & Literatur (Auswahl)

Die beschriebenen Phasen, in denen sich Kinder zeitweise stärker an einen Elternteil orientieren, sind in der Entwicklungs- und Bindungsforschung gut belegt. Sie gelten als normaler Bestandteil sicherer Bindung und kindlicher Selbstregulation.

Zentrale Erkenntnisse aus der Forschung

  • Bindung ist situationsabhängig.
    Kinder suchen unterschiedliche Bezugspersonen für unterschiedliche Bedürfnisse (z. B. Spiel vs. Trost).
  • Nähe in Belastungssituationen ist ein starkes Bindungszeichen.
    Wenn Kinder bei Müdigkeit, Angst oder Schmerz gezielt eine Bezugsperson aufsuchen, spricht das für sichere Bindung.
  • Phasenweise Bevorzugung eines Elternteils ist entwicklungsbedingt.
    Besonders in Autonomie-, Abgrenzungs- oder Übergangsphasen (z. B. Kindergartenstart) können sich Präferenzen kurzfristig verschieben.
  • Elterliche Erschöpfung verändert Interaktion, nicht Bindung.
    Mental belastete Eltern werden häufig als regulierende, sichere Basis wahrgenommen – nicht als weniger geliebt.

Literatur

Ainsworth, M. D. S., Blehar, M. C., Waters, E., & Wall, S. (1978).
Patterns of Attachment: A Psychological Study of the Strange Situation. Hillsdale, NJ: Erlbaum.

Bowlby, J. (1988).
A Secure Base: Parent-Child Attachment and Healthy Human Development. London: Routledge.

Grossmann, K., & Grossmann, K. E. (2004).
Bindungen – Das Gefüge psychischer Sicherheit. Stuttgart: Klett-Cotta.

Cassidy, J., & Shaver, P. R. (Hrsg.). (2016).
Handbook of Attachment: Theory, Research, and Clinical Applications. New York: Guilford Press.

Spangler, G., & Zimmermann, P. (2014).
Bindung und Emotionsregulation im frühen Kindesalter.
In: Frühe Kindheit, 3/2014.


Hinweis

Dieser Artikel dient der Einordnung und Entlastung und ersetzt keine individuelle Beratung oder therapeutische Begleitung. Wenn Sorgen um die Beziehung zum Kind sehr belastend werden oder länger anhalten, kann es hilfreich sein, sich professionelle Unterstützung zu holen.

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